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Der Mann für schwierige Situationen

12. Dezember 2018

Er ist weder Psychologe noch Psychiater. Dies sei wichtig zu betonen, sagt Hans-Peter Wernli. Mental Coach ist die offizielle Bezeichnung des Berufes, den der Zofinger ausübt. Doch es ist in Wernlis Fall nicht nur ein Beruf, sondern zweifelsfrei auch eine Berufung. Nach der Schule absolvierte er eine Banklehre beim damaligen Bankverein. Er hinterfragte nicht, ob es die richtige Ausbildung für ihn sei. «Es war nicht mein Berufswunsch, aber es war in Ordnung», erinnert er sich. 30 Jahre lang war Wernli in der Bankenwelt tätig. Dass es nicht seine Welt war, habe er schon irgendwie gemerkt. Doch wahrhaben wollte er es nicht.

Der 7. August

Zuletzt war Wernli als Leiter Vertrieb bei der Raiffeisenbank in Solothurn tätig. Zu dieser Zeit begann sich sein Beruf zu wandeln. Der Kundenberater wurde immer mehr zum Verkäufer. «Für mich stand immer der Mensch im Mittelpunkt. Und ich wollte nie die Strassenseite wechseln müssen, weil ich sonst einem Menschen begegnet wäre, dem ich etwas verkauft hatte, was ihm gar nichts nützt», erinnert sich Wernli. Auf fragwürdige Verkaufsmethoden wollte er sich nicht einlassen und manövrierte sich damit gegenüber seinen Vorgesetzten ins Abseits. Es kam der 7. August 2012. Sein Chef zitierte ihn ins Büro. Nie hätte er erwartet, dass er per sofort freigestellt würde. An diesem Tag kamen verschiedene persönliche Schicksalsschläge zusammen. «Es war wie im falschen Film.»

Im Nachhinein können diese Schicksalsschläge aber als Glücksfall gesehen werden. Wernli holte sich in seiner Lebenskrise Unterstützung bei einem Coach und kam so auf die Idee, sich in diesem Bereich weiterbilden zu lassen und den Beruf ebenfalls auszuüben. «Vermutlich war ich für einen Banker einfach zu sozial und zu einfühlsam», bilanziert Wernli. Seine Kunden sind heute nicht mehr Leute mit einem finanziellen Anliegen. Es sind Menschen, welche in irgendeiner Lebenssituation einen neuen Anstoss oder eine neue Motivation brauchen. Mit ihnen unterhält er sich nicht nur in seinem Coachingraum an der Zofinger Spitalgasse, sondern er nimmt sie nicht selten auch mit auf einen Spaziergang. Zum Beispiel auf den Heiternplatz. Da oben zu stehen und in die Weite zu blicken, könne extrem befreiend sein, findet Wernli.

Einsatz für Stellensuchende

«Der häufigste Fehler, den Menschen machen, ist zu denken, man schaffe alles alleine. Wenn man aber mal den Schritt geschafft hat, Hilfe anzunehmen, ist man auf dem richtigen Weg», sagt er. Viele Leute hätten Mühe, dazu zu stehen, dass sie gescheitert sind. Auch wenn sie – grade im Fall von Entlassungen – vielfach gar nichts dafür könnten. Wernli hat das Glück, dass er mit einzelnen RAV im Kanton Aargau zusammenarbeiten kann. Diese finanzieren den Stellensuchenden bei Bedarf ein Coaching bei ihm. Im Falle einer orientierungslosen Person, welche keine Ahnung hat, wie es beruflich weitergehen soll, gelte es erst einmal, herauszufinden, was sie allgemein gerne mache, bevor die Frage nach einem potenziellen Beruf geklärt werde. «Ich habe da nicht immer direkt dieselben Ziele wie das RAV», erklärt Wernli. «Bevor eine Person wieder in den ersten Arbeitsmarkt integriert wird, ist für mich wichtig, dass sie wieder mit beiden Beinen im Leben steht. Erst wenn sie wieder Perspektiven sieht, kommt für mich der Schritt in den ersten Arbeitsmarkt.»

Auch der nach 22 Jahren zurückgetretene HCD-Trainer Arno Del Curto werde nun mit grosser Wahrscheinlichkeit in ein tiefes Loch fallen. Das sei normal, wenn von einem Tag auf den andern plötzlich nicht mehr da ist, was ein Leben die letzten 22 Jahre lang geprägt hat. «Ich würde Del Curto raten, zu verreisen. Möglichst an einen Ort, wo es keine Eishallen und keine Journalisten gibt», sagt Wernli.

Sportlicher Erfolg ist Kopfsache

Zu Wernlis Kunden gehören aber auch viele Sportler. Dazu gehören sowohl Hobby- wie auch Leistungssportler. Der Jüngste unter ihnen ist gerade einmal elf Jahre alt. Einzelne trainieren für die Selektion an die Olympischen Sommerspiele 2020 in Tokio. Der Einfluss der mentalen Einstellung habe auf die sportlichen Leistungen einen wesentlichen Einfluss. Häufig sei er gar der entscheidende Faktor. Denke man während eines Wettkampfes an das schlechte Wetter oder die sportliche Verfassung des Gegners, führe dies viel schneller zu einer Niederlage, als wenn man zu sich sagt: «‹Dies ist mein Gegner, ich bin besser und ich schlage ihn.› Was die richtige mentale Einstellung bewirken kann, zeigte kürzlich die Schweizer Fussballnationalmannschaft, als sie innert vier Tagen zuerst gegen Katar verlor und danach die Weltnummer Eins Belgien schlug.»

Das Motto von Hans-Peter Wernli lautet: Mach dir dein Handeln bewusst! «Es ist nicht schlimm, wenn ich heute keine Lust habe zu trainieren. Aber ich muss mir bewusst sein, weshalb das so ist und was meine Gründe dafür sind.» Was die Liebe zu seinem Job ausmacht, ist die Faszination, Lösungen für den Menschen zu finden. «Ich möchte noch möglichst vielen Leuten helfen können», sagt Wernli. Zuletzt liess er sich im Bereich der Sporthypnose weiterbilden. «Jetzt hast du genau das aus mir rausgekitzelt, was es noch gebraucht hat», bekommt er immer wieder von seinen Kunden zu hören. Einen schöneren Lohn als dieses Kompliment gibt es für einen Mental Coach wohl kaum. «Das ist mir mehr wert als eine grosse finanzielle Entschädigung. Um keinen Preis möchte ich in meine alte Welt zurück.»

Bericht im Zofinger Tagblatt vom 30. November 2018

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